Wir fahren mit dem Zug nach Akko. Der Bahnsteig ist voller Soldaten, auf dem Weg hin zur oder zurück von der - ich denke dieses ungewohnte Wort.... Front...
Müde sehen sie aus, lehnen an ihren riesengroßen Seesäcken, die Waffe umgehängt. Ein Paar verabschiedet sich, sie in Uniform, er in Zivil. Er hält sie fest, Küsse werden ausgetauscht.
Akko ist eine wunderschöne Stadt, direkt am Meer gelegen. Vier Religionen haben das Bild der Stadt geprägt. Kreuzfahrer und Osmanen rangen sich gegenseitig die Herrschaft über diese Stadt ab.
Kirchen, Synagogen , viele Moscheen und ein Tempel der Bahai- Religion etwas außerhalb zeugen von der wechselvollen Geschichte.
Auf den Resten der alten Stadtmauer sagte Marwan einst: Diese Erde hier dürstet nach Blut. Ich war schon mehrmals hier und es ist jedes Mal besonders.
Die Pforte zum Garten des Kreuzfahrermuseums ist offen. Ich trete erstmals einund finde mich in einem Märchentempel, der mich sofort entrückt: Uralte Baumriesen, mit verschlungenen Luftwurzeln, versammeln sich um einen Brunnen. Die alten Stämme will ich sofort berühren, sie am liebsten umarmen. Ein deutlich kühlerer Wind umschmeichelt meine Haut, endlich Schatten. Die drei Frauen, mit denen ich diesen Tagestrip unternehme, haben sich ein Kombiticket für den Besuch von drei Museen gekauft. Das ist nichts für mich. Ich erkläre den dreien, dass ich bei den Bäumen bleiben will. Himmlische Ruhe. Mein Blick verfolgt den Wuchs der Bäume- es sind Geschichten: von Teilung, von Wiederfinden, zusammen weiterwachsen...Ich möchte mich am liebsten auf die Steinbank legen und einschlafen, die Zeit scheint stillstehen...
Ich höre Kinderstimmen- eine Schulklasse tritt ein. Der Lehrer versucht, mit aufgeregter Stimme, die Kinder zu bändigen und zum Staunen zu bewegen. Das erledigen die alten Baumgesellen jedoch selbst- staunende Kinderaugen, hochgereckte Köpfe.
Eine große Gruppe Japaner eilt im Gänsemarsch durch den Garten- kein Blick für die Baumwunder. Sie müssen zum Museum, zur Toilette, oder was weiß ich. Es sieht aus, als eilen sie zur Arbeit. Die Schirmmützen verengen den Horizont auf den Ausschnitt zwischen eigene Fußspitze und Kniekehle des Vordermanns. Immerhin haben sie große Kameras an ihrer Seite baumeln, mit beeindruckenden Objektiven. Kurz danach tritt eine Gruppe orthodoxer Juden ein- der Garten füllt sich, es wird laut, Kindergeschrei, Mütter, die ihre Kleinen rufen. Mit meinem magischen Moment im Rücken erlaube ich mir, diesen Stimmungswechsel lächelnd zu beantworten.
Der Lehrer schaltet das Headset ein, der Lautstärkepegel wird auf die nächste Stufe gehoben.
Die japanische Gruppe kommt zurück, ihre Hüte verhindern nahezu, das ich ihr Gesicht sehe und manche tragen einen kompletten Stoffbezug vor ihrem Gesicht- Sonnenschutz? Religiöse Gründe?
Die Bäume stehen unbewegt. Der Wind streicht durch ihre Blätter. Sie schweigen nobel. Atmen für uns.
Ich akzeptiere es- die heilige Ruhe ist vorbei, ich lasse die Babies schreien, die Kameras klicken-
danke für diesen magischen Moment.
Und ich ziehe weiter.
Auf dem Parkplatz vor dem Museum steht der Reisebus- der Motor brummt und macht seinen stinkigen Job für die Aircondition. Im Bus warten die Japaner auf die Abfahrt zum nächsten Programmpunkt.
AKKO... Ich bin wieder einmal unterwegs- hab es spielend geschafft, mich vom Völkchen abzusetzen und freue mich am Allein- sein.
Ein Kaffee wäre jetzt gut, und so steuer ich auf das Straßenrestaurant am Eingang zur Al- Jazeer- Moschee zu. Gestern Abend war ich mit Harel und seiner Freundin auf einer Party, hab getanzt bis kurz vor Mitternacht und der Arrak rumort noch etwas in meinem Kopf. Hier kann ich gut auf die drei warten. Und währenddessen lasse ich die Bilder an mir vorbei ziehnen. Die Szenerie wird dominiert von der wunderschönen Moschee, die man über eine kurze aber steile Steintreppe erreicht. Die Moschee zieht magnetisch an. Nicht nur die Touristen. Es knackt im Lautsprecher, ein kurzes Hüsteln und dann schallt die Stimme des Muezzin über den Platz. Allah ist groß. Herbei herbei oh ihr Gläubigen. Kommt!
Und sie kommen. Eiligen Schrittes, Männer und Frauen.
Es gefällt mir hier in diesem Straßenrestaurant, hier ist der ideale Platz für mich. Und so bekomme ich Lust, etwas zu essen. Ich frage nach einem kleinen Teller Hummus, etwas Brot.... Die anderen wollen nachher noch richtig essen gehen.
Wenig später bekomme ich den leckersten Hummus serviert. Es ist immer der leckerste Hummus, aber diesmal ist es der leckerste. Ganz frisch, cremig, sahnig, schwimmt diese warme Insel in einem Meer von feinem Olivenöl, obenauf Kichererbsen. Dazu ein paar Tomatenschnitze, Gurken, Zwiebeln, Oliven, Pitabrot.
Ich muss gerade an die Selbstverständlichkeit denken, mit der sich Tilda Swinton als Eve durch die Kasbah von Tanger bewegt. Sie findet dort ihre Ruhe. Ich hier. Werde auf absolut unaufdringliche Art aufmerksam und respektvol bedient und im Übrigen in Ruhe gelassen.
Die jüdische Reisegruppe hat sich ins Bild geschoben, der Reiseführer versammelt alle um sich an der Stadtmauer- sein Headset plärrt.
Ich schaue in angespannte, genervte Gesichter der Araber, die hier ihren Hummus essen. Ich wüsste gern, was der Reiseleiter erzählt.
So viel ich von meinem letzten Besuch in Akko weiß, leben in der Old City fast nur Araber, es ist ihre Stadt und sie fühlen sich bedrängt von den jüdischen Touristen, die in Scharen mehr und mehr die Altstadt besuchen, teilweise wohl auch Häuser aufkaufen.
Es ist kein Frieden. Es scheint nicht miteinander zu gehen. bestenfalls nebeneinander. Wir haben dafür in unserer Sprache ein Wort. Burgfrieden.
Die Kichererbsen zerfallen bei der kleinsten Berührung- so wie es sein soll. Am Nachbartisch eine alte lady- sie isst wie ich,: winzige Stückchen Brot, mit der rechten Hand abgezupft und in den Brei getaucht. Das ganze langsam und genussvoll zum Mund geführt. Griff zur Serviette, kurzes Säubern, dann der nächste Gaumenspaß. Dazwischen eine dieser aromatischen, kleinen Oliven, die ich nur hier finde.
Die alte Dame ist fertig mit dem Essen und eilt die Treppe hoch zur Moschee. Der Muezzin ruft. Sein Singsang lockt mich. Ich bin mitten in mir...genieße den Zustand absoluten Einsseins mit der Situation. Die Stimme des Muezzins mäandert auf und ab.
Gestern Abend noch ausgelassenes Tanzen mit Harel und seiner Freundin- heute hier diese schöne Stadt. Ich werde beschenkt.
Der Koch hackt Kräuter. Die Araber essen viel langsamer als wir. Meine orthodoxe jüdische Freundin würde hier nicht essen. Es ist nicht koscher.
Dabei atmen wir alle die selbe Luft.
Befahren die selben Straßen.
Trinken das selbe Wasser.